Vermutlich kommt einigen von Ihnen das Thema bekannt vor: Stellen Sie sich einmal vor, Sie werden von Ihrem Vorgesetzten darauf angesprochen eine Führungsrolle im Team zu übernehmen. Oder Sie kommen von extern und übernehmen ein Team.
Und dann … starten Sie in der Rolle und stellen fest, dass jemand anders im Team erwartet hatte, diese Führungsrolle zu übernehmen.
Ein Klassiker.
Und genau dieses Thema begegnet mir in der Zusammenarbeit mit meinen Kunden auch immer wieder.
Ich will heute gerne einmal aus dem Nähkästchen plaudern und über ein Beispiel berichten.
Praxisbeispiel
Beginnen wir heute einmal mit Michael. Den Namen habe ich jetzt für diese Folge geändert. Viele Kunden wollen namentlich nicht genannt werden. Das ist auch völlig in Ordnung.
Michael hat mich vor einem Jahr als Sparringspartner gebucht. Er wechselte von einem Dax Unternehmen in ein anderes DAX Unternehmen. Ein mutiger Schritt, zumal er nach insgesamt zwanzig Jahren Betriebszugehörigkeit in eine andere Unternehmenskultur kam.
20 Jahre ist eine lange Zeit und ihm war bewusst, dass sein heutiger Blick und seine Verhaltensweisen sehr geprägt waren von seinem bisherigen Arbeitgeber.
Ihm war bewusst, dass er mit dieser Konditionierung sicher einigen Herausforderungen begegnen wird. Und genau deshalb war es ihm wichtig, sich professionell begleiten zu lassen.
Er kam aus einem Umfeld, in welchem Veränderungen an der Tagesordnung waren. Er selbst setzte in seinem kompletten Bereich mit mehreren Teams auf hohe Eigenverantwortung. Nicht nur weil dies als Leitprinzip vom Unternehmen gewünscht war, sondern weil er von Eigenverantwortung überzeugt ist. Jetzt könnte man ja eher die Annahme haben, dass das ja beste Voraussetzungen sind. Soweit erstmal zur Vorannahme.
Warum wollte er nun nach 20 erfolgreichen Jahren bei seinem Arbeitgeber wechseln?
Ihm war klar, dass er selbst einen Change braucht, um sich einmal komplett neuen Herausforderungen zu stellen. Und um daran selbst zu wachsen. Sowohl was seine persönliche Entwicklung betrifft aber auch in seiner beruflichen Rolle.
Gesagt, getan. Und er hatte bevor er im neuen Unternehmen startete, direkt bereits die Zusammenarbeit mit mir begonnen. Was sehr vernünftig war, denn grade auch mit dem Start, mit der neuen Rolle gibt es einiges zu klären.
Er kam nun also als Externer mit viel Spirit, viel Drive in ein neues Unternehmensumfeld. Der CEO wollte genau ihn haben für die zu besetzende Rolle, da Michael hier prädestiniert war, um Veränderungen zu initiieren, die in diesem Unternehmen längst überfällig waren. Der Vorgänger ging nun in Rente und hatte ein komplett anderes Persönlichkeitsprofil und einen eher stark hierarchisch orientierten Führungsstil.
Viele würden hier vermuten, dass in einem solchen Fall jeder „den Neuen“ mit großer Freude empfängt. Das war allerdings nicht der Fall. Denn schließlich waren alle einen anderen Führungsstil gewohnt und insgesamt tickte das Unternehmen schlichtweg anders. Es dauerte einige Monate, bis Michael die Menschen für sich gewann. Viele blieben einfach bei ihrer gefühlten Distanz stecken. Menschen in einem neuen Unternehmensumfeld für sich zu gewinnen, braucht seine Zeit.
Überraschung
Hinzu kam allerdings auch, dass es einen Mitarbeiter in seinem Bereich gab, der selbst davon ausging, dass er eben diese Bereichsleitung übernehmen wird.
Das war aber nicht der Fall.
Als Michael zum neuen Unternehmen wechselte, wurde dieses Thema in den ersten Tagen offensichtlich und ihm war klar, dass es hier eine Klärung braucht. Und er erfuhr dann auch vom CEO, dass es der Wunsch des CEO ist, dass die beiden gemeinsam als Doppelspitze fungieren. Das war für ihn eine ziemliche Überraschung und verständlicherweise war er davon nicht angetan.
Als lösungsorientierter Mensch heißt es hier proaktiv mit einer solchen Situation umzugehen. Er ging direkt von Beginn an mit diesem Kollegen ins Gespräch. Wollte erfahren, was dessen Erwartungen sind. Versuchte abzuklopfen, wo Gemeinsamkeiten liegen und welche gemeinsamen Leitplanken und gemeinsamen Ziele sie haben. Und wie sie nun erstmal ihre angedachte Doppelspitze in der Zusammenarbeit gut gestalten können für beide Seiten.
Das kam gut an und damit funktionierte die Zusammenarbeit dann auch erstaunlich gut.
Allerdings war für Michael auch klar, dass diese Doppelspitze einiges an Herausforderungen auch weiterhin in sich birgt und dass diese Doppelspitze per se für ihn auf Dauer kein akzeptabler Zustand sein kann. Schließlich kam er auch nicht mit dieser Prämisse zum Unternehmen.
Daher war klar, er musste sich hier auch klar positionieren bei seinem CEO und das bedeutete klare Kommunikation darüber, was ihm wichtig ist. Aktueller Stand ist es, dass er mit seinem Pendant in der Doppelspitze gut funktioniert, was interessanterweise schon daran liegt, dass beide sehr unterschiedliche Persönlichkeiten sind und sie sich somit gut ergänzen können und ihre Themen und Verantwortlichkeiten gut abgesteckt haben. Das ist eine wichtige Voraussetzung, damit dies gut gelingen kann. Und beide sind konstruktiv und offen in die Kommunikation gegangen und haben klar ihre Verantwortlichkeiten abgesteckt.
Viel mehr will ich an dieser Stelle nicht dazu sagen, es bleibt weiterhin spannend.
Als kleines Fazit: man kann, auch wenn man im Vorfeld versucht größtmögliche Klärung über die neue Rolle zu bekommen, nicht immer alles erfahren. Leider ist das so.
Wichtig ist es dann in der Situation das Beste daraus zu machen, die verschiedenen Optionen durchzuspielen und lösungsorientiert, proaktiv und konstruktiv zu sein und zu handeln.
Weitere Herausforderung
Ich will an dieser Stelle von einer weiteren Herausforderung sprechen.
Er sah für sich eine große Herausforderung darin, wie er die Mitarbeiter besser involvieren, motivieren und inspirieren kann. Für ihn ging es schließlich darum einen großen Change im Unternehmen zu initiieren und umzusetzen. Das braucht einen klaren Plan.
Hier ging es dann für uns darum, dass wir die verschiedensten Situationen antizipiert haben, und auch Meetings und Workshops entsprechend vorbereitet haben.
In unseren Sessions wurde ihm bewusst, dass er für sich zuviel Raum nimmt.
Das sehe ich sehr häufig bei starken Persönlichkeiten. Kann, muss aber nicht so sein.
Es gibt auch andere starke Persönlichkeiten, die nicht dieses Bedürfnis haben.
Er ist sich dessen bewusst. Aber Bewusstsein allein ist eben noch nicht ausreichend. Da er gerne und eher viel kommuniziert und das heißt eben dazu neigt monologartig seine Meetings zu führen, mussten wir auch da erstmal ansetzen.
Das ist alles kein Hexenwerk, aber wichtig zu verstehen, wo man selbst in seiner eigenen Veränderung ansetzen muss. Zumindest um eine Flexibilität zu gewinnen und in den verschiedensten Situationen wirklich andere einzubinden. Es ist nämlich eine Sache dies zu wollen. Eine andere Sache aber es auch zu können und zu tun.
Das war heute ein kleiner Ausflug in das Thema „Wenn ein Kollege Ambitionen hatte auf die Führungsrolle, die Sie übernehmen werden.“ Vielleicht haben Sie dabei ähnliche Aspekte wieder erkannt, die Sie selbst bereits erlebt haben oder vielleicht einfach eine Idee bekommen, wie es auch laufen kann, wenn man einen Führungswechsel angeht.