Ertappen Sie sich manchmal im Overthinking?
Dass das nicht unbedingt gut für Sie ist, werden Sie wahrscheinlich schon einmal festgestellt haben. Die wenigsten schaffen es, diese zwanghafte Form des Nachdenkens allein, ohne externe Unterstützung, abzustellen.
Als Führungskraft Overthinking zu praktizieren ist allerdings nicht nur ungesund, sondern wird für die Führungskraft zum Eigentor.
Overthinking und wirksames Leadership passen nun einmal nicht zusammen.
Was heißt denn nun „overthinking“?
Wer die Neigung hat bzw den Zwang verspürt, übermäßig nachzudenken und dies meist in Endlosschleifen praktiziert, wird damit seine Unsicherheit verstärken. Gleichzeitig nimmt die Angst zu, eine falsche Entscheidung zu treffen. Bzw. überhaupt eine Entscheidung zu treffen.
Es ist wichtig für eine Führungskraft relevante Punkte bei einer Entscheidungsfindung zu berücksichtigen. Es wird allerdings niemals möglich sein, alle Aspekte in Erwägung zu ziehen. Darum geht es auch nicht.
Das ist allerdings die Hoffnung und der Glaube bzw. die Vorannahme, die hinter einem Overthinking stehen: dass die betreffende Person dann irgendwann doch in der Lage sein müsste, die einzig richtige Entscheidung treffen zu können. Wenn sie erst einmal ausreichend und lange genug darüber nachgedacht hat.
Beim Overthinking geht es jedoch nicht um das Nachdenken und das Analysieren und Hinterfragen, das wir definitiv benötigen in unserem Alltag.
Beim Overthinking handelt es sich um zwanghaftes Nachdenken über Ängste, Sorgen und Entscheidungen. Genauer betrachtet führt das häufig in ein zielloses Gedanken-Wirrwarr. In den meisten Fällen können die Betroffenen keine Struktur in ihren Gedanken abbilden, geschweige denn zielorientiert ein schlüssiges Fazit bilden.
Vermutlich wird den meisten von Ihnen bewusst sein, dass eine solche Denkweise für Führungskräfte fatal ist. Sie müssen nämlich dazu in der Lage sein, möglichst schnell das Wichtige vom Unwichtigem zu separieren und basierend auf häufig unzureichender Informationsbasis Entscheidungen treffen. Ob einem das gefällt oder nicht, steht dabei nicht zur Diskussion. Das ist eine Führungsaufgabe und daher eine essentielle Leadership Kompetenz. Genau deshalb ist dies auch ein Thema im Executive Coaching und im Leadership Onboarding.
Frauen neigen besonders zum Overthinking
Aus meiner mittlerweile 20jährigen Erfahrung im Executive Coaching muss ich feststellen – und nicht erst heute – dass Frauen besonders anfällig sind für dieses Phänomen des Overthinking.
Worin zeigt sich das immer wieder:
- Jedes Wort wird auf die Waage gelegt.
- Alles Gesagte wird hinterfragt.
- In fast jeder Aussage vermuten sie eine versteckte Botschaft.
- Die Konzentration auf das Wesentliche leidet dann darunter.
- Sie fokussieren sich ausschließlich auf das Negative und Worst Case Szenarien
- Denken über Dinge nach, die sie selbst nicht kontrollieren können
- Machen sich Sorgen um alles …
- Und das Gedanken Karussell beginnt seinen Lauf .. und lässt sich nicht einfach so stoppen ..
Kommt Ihnen das vielleicht auch bekannt vor?
Falls ja, dann gibt es hier etwas für Sie zu tun.
Denn auf Dauer ist diese Art zu denken ungesund und hindert die betreffende Person daran, proaktiv, gelassen und mit klarem Kopf klare Entscheidungen zu treffen. Hinzu kommt, dass dies auch für das Umfeld, beruflich wie privat ziemlich anstrengend sein kann.
Ca 50% der Führungskräfte, mit denen ich arbeite, sind Frauen. Viele dieser weiblichen Führungskräfte haben eine Neigung zum Overthinking.
Hier in diesem Blogbeitrag hatte ich vor einiger Zeit das Thema bereits aufgegriffen
https://christianebarho.com/warum-stehen-sich-frauen-im-business-so-haeufig-selbst-im-weg/.
Gerade hatte ich wieder mit einer weiblichen Führungskraft im Leadership Onboarding über 12 Monate gearbeitet. Das Thema Overthinking war eines der Themen, die wir auf der Ziele-Agenda hatten.
Das bedeutet: sie hat Aussagen schon mal gerne über-interpretiert mit der Folge, sich selbst und die eigenen Kompetenzen in Zweifel zu ziehen.
Folgende Fragen waren für sie tägliche Begleiter:
- Bin ich gut genug?
- Habe ich vielleicht doch etwas falsch gemacht … oder alles falsch gemacht?
Jede kleine Aussage oder Begebenheit konnte dazu führen, sie in Unsicherheit zu bringen.
Und das, obwohl sie hochqualifiziert ist und mehrere Abschlüsse hat. Kein Einzelfall.
Darunter leidet die Souveränität, das Selbst-Bewusstsein, die Klarheit im Denken und Handeln. Deshalb ist es so wichtig, dieses Thema anzugehen und damit so zu arbeiten, dass die betreffende Person lernt, dies bleiben zu lassen.
Ist dies einfach? Manchmal gelingt es schnell, in der Regel allerdings nicht, sondern es braucht seine Zeit.
6 Monate müssen hier auf alle Fälle als Basis angesetzt werden, 12 Monate im Rahmen eines Leadership Onboardings machen am meisten Sinn. Denn es gibt einiges an Themen im Leadership Onboarding.
Besonders wichtig ist es für einen Executive Coach wie mich, im Vorfeld möglichst klar zu eruieren, inwieweit dies ein Thema für einen Coachingprozess ist. Denn wenn das Thema Overthinking zu stark vorhanden ist, macht es Sinn, dass die betreffende Person mit einem Therapeuten daran arbeitet, weil tiefergehende psychologische Prozesse zu betrachten sind.
Das wäre zwar grundsätzlich auch im Coaching möglich wenn die entsprechende Qualifikation vorhanden ist. Allerdings ist das nicht die Aufgabe im Business Coaching. Dann ist Coaching erstmal nicht der passende Weg.
Gründe für Overthinking
Wer zum Overthinking neigt kann dies aus den unterschiedlichsten Gründen tun. Hier einmal ein paar ausgewählte Aspekte, die ich auch immer wieder bei meinen – vorwiegend – weiblichen Führungskräften erlebe:
- Impostor Syndrom – das Gefühl nicht gut genug zu sein
- Perfektionismus – der Antreiber, alles perfekt machen zu müssen und immer perfekt zu sein
- Ganz grundsätzlich: ein geringer Selbstwert und ein geringes Selbst-Bewusstsein
- Zu stark ausgeprägtes Harmoniebedürfnis: wenn Menschen unbedingt vermeiden wollen, dass sie mit ihrem Denken und Handeln anecken
- Bei manchen Menschen ist es ein Aspekt des Charakters
- Manche haben einige sehr schlechte oder sogar traumatische Erfahrungen gemacht
- Und bei manchen wiederum ist Overthinking einfach auch eine Folge aufgrund zu vieler Veränderungen und angesichts zu vieler Herausforderungen
Was es hier zu zuerst zu tun gibt
Hier einmal drei ausgewählte Aspekte, die aus meiner Erfahrung im Executive Coaching zuerst anzugehen sind:
Unterscheidung zwischen Wahrnehmung und Realität
Meine Aufgabe als Sparringspartner und Executive Coach ist es zuallererst einmal – und dies muss permanent erfolgen – die Awareness zu schaffen für den Unterschied zwischen Wahrnehmung und Effekt. Zwischen Gedanken und Realität. Und genau das muss in Fleisch und Blut übergehen. Das wird bereits einen starken Effekt haben.
Aus meiner Erfahrung schaffen es die wenigsten diese Unterscheidung für sich alleine hinzubekommen. Dazu braucht es den Anstoß von außen, den Spiegel und das Challengen.
Und, mit einem Male ist es nicht getan. Denn dieses Autopilot Muster kann manchmal ziemlich hartnäckig sein.
Vorannahmen und Glaubenssätze dekodieren
Auch das spielt hier eine Rolle. Gerade die Overthinker haben häufig ein ganzes Bündel an Vorannahmen über die Welt, über sich selbst und warum bestimmte Dinge funktionieren oder eben nicht funktionieren. Für mich als Executive Coach eine Aufgabenstellung, die häufig vorkommt, nicht nur bei den Overthinkern. Aber hier meist geballt.
Stopp Schild
Besonders wichtig ist es für den Overthinker Methoden zu lernen, die im Alltag einfach anzuwenden sind wie beispielsweise sich selbst zu stoppen bevor das Gedanken Karussell losgeht. Das setzt allerdings voraus, dass die Awareness auch da ist. Die ist nicht immer bei allen von Beginn an vorhanden. Dann gilt es zunächst die ersten Wochen die Awareness zu tranieren. Es geht um einen wichtigen Aspekt von Selbstführung und Emotionaler Kompetenz: nämlich die Fähigkeit die eigenen Gedanken und Gefühle wahrzunehmen und regluativ eingreifen zu können.
Das einfachste, pragmatischste „Stopp Schild“ bietet das sogenannte S.E.K.T. Modell, das ich vor einigen Jahren im Rahmen eines Leadership Programms für mexikanische Führungskräfte von Audi erstmalig eingesetzt hatte.
Falls Sie sich dafür interessieren, hier in dieser Podcast Folge habe ich es beschrieben:
https://christianebarho.com/sekt-methode-selbstfuehrung-wie-passt-das-zusammen/
Vorsicht: Auch hier gilt: es braucht etwas Übung. Erwarten Sie keine Wunder, wenn Sie Methoden das erste Mal probieren.
Und falls Sie bei der Lektüre dieses Artikels festgestellt haben, dass Sie sich als Führungskraft mit der Overthinking Neigung oder auch ganz grundsätzlich zu häufig im Weg stehen, dann schlage ich vor, Sie denken jetzt nicht zu lange drüber nach, sondern buchen am besten direkt einen Gesprächstermin auf meiner website und wir besprechen wie wir im Executive Coaching zusammenarbeiten.